Schon mehrfach haben sich in den letzten Jahren Spielfilme dem Thema Sterbehilfe gewidmet. „In die Schweiz fahren“ ist zum Synonym für Selbsttötung geworden, und was dies für Betroffene und Angehörige heißt, wurde zumeist einfühlsam und packend beleuchtet. Vor Allem im Jahre 2016, rund um die Debatten zur jüngsten Rechtssprechung fand das Thema häufig Eingang in Talkshows und Dokumentationen.
Nun also ein weiterer Film über eine Reise in den Tod? Ja, es geht um die Fahrt zur Sterbehilfe-Organisation, zu den vorbereitenden Gesprächen und Begutachtungen, aber für mich stand diesmal im Mittelpunkt, was die Entschlossenheit der alten Dame, eindrücklich von Christiane Hörbinger verkörpert, bei ihren Töchtern ausgelöst hat. Entsetzen, Unverständnis, Aufbegehren. Wie können sie den Freitod ihrer Mutter verhindern? Gespräche scheinen sinnlos, Hilfsangebote werden ausgeschlagen, die Entscheidung scheint unumstößlich.
In ihrer Not zieht eine der Töchter das letzte Register, das ihr noch zu bleiben scheint: Sie versucht die Anordnung einer Betreuung zu erwirken, sprich, dass der Mutter das Selbstbestimmungs-Recht entzogen wird. Das ist für mich der Kern dieses Filmes, dadurch wird eine große Spannung erzeugt. Denn wir, die Zuschauenden, wissen, fühlen, sehen, dass diese körperlich belastete Frau völlig im Besitz ihrer geistigen Fähigkeiten ist, wie man so schön sagt. Keine Spur von Demenz oder anderen geistigen Einschränkungen.
Wird es der Tochter gelingen die Betreuung zu erwirken, oder ist der Richter wach und menschlich genug, traut er sich Recht zu sprechen, wohlwissend, dass er damit für die Reise in die Schweiz grünes Licht gibt?
Für mich als systemisch ausgebildete und denkende Beraterin gibt der Film einen faszinierenden Einblick in die innenfamiliären Strukturen, über die Schwierigkeit der Kommunikation und die Unfähigkeit, wirklich tiefes Verständnis aufzubringen. Wir können nachvollziehen, wie schwer es ist loszulassen und die eigenen Überzeugungen nicht in den Vordergrund zu stellen.
Selbstbestimmung und Selbstverantwortung sind Worte, die heute in aller Munde sind. Wie weit können wir sie wirklich anderen zugestehen, auch und gerade unseren Liebsten?
Dieser Film sollte Eingang finden in die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften, die mit komplex erkrankten älteren (oder auch jüngeren) Menschen zu tun haben. Ein wunderbarer Einstieg für Diskussionen, Meinungsbildung, ethische Reflexionen. Sollte in Kursen für HospizhelferInnen Pflichtprogramm sein, um Kommunikation zu lernen und zu üben: Wie kann ich meine Meinung und Haltung wahrnehmen und die des Gegenübers hören, achten, stehen lassen? Ohne zu missionieren, zu moralisieren, überzeugen zu wollen? Was ist in Gesprächen mit lebenssatten Menschen wirklich hilfreich?
Zu Vorträgen, Schulungen, Unterricht zu diesen oder ähnlichen ethischen Fragen des Lebensendes oder bei schweren Erkrankungen können Sie mich gerne einladen. –> siehe auch meine Informationen auf der Seite
Der Spielfilm „Die letzte Reise“ war Teil eines Themenabends „Selbstbestimmtes Sterben“ am 2.10. Im Anschluss wurde eine 30-minütige TV-Dokumentation „Frau S. will sterben“ gezeigt. Wer die beiden Filme verpasst hat, kann sie noch bis 2.01. 2018 in der ARD-Mediathek sehen.
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