Lang anhaltende Schwäche und Müdigkeit nach akuter Covid-Erkrankung:
Schon im Sommer 2020 gingen erste Berichte durch die Medien, in denen auf das Postvirale Syndrom nach einer durchgemachten Covid-19-Infektion aufmerksam gemacht wurde. Die Menschen galten zwar als genesen, fühlten sich aber nicht geheilt. Inzwischen wissen wir mehr über die oft monatelang anhaltende Schwäche und Müdigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, gepaart mit verschiedensten körperlichen Symptomen wie z.B. Herzbeschwerden, Verdauungsstörungen, anhaltendem Geruchs- und Geschmacksverlust.
Dieses Post-Covid-Syndrom (oder auch Long-Covid), wie es inzwischen genannt wird, kann in verschiedensten Altersgruppen auftreten, nach ganz leichtem oder auch schwerem Verlauf der Erkrankung und in sehr unterschiedlicher Ausprägung. Fühlen sich die Einen nicht ganz auf der Höhe und sind lediglich etwas eingeschränkt in der Leistungsfähigkeit, kann es bei Anderen ein Ausmaß annehmen, das eine stationäre Behandlung nötig macht oder sogar Berufsunfähigkeit nach sich ziehen kann. Und dazwischen gibt es viele Ausprägungen.
Schwächung nach viralen Infektionen oft über lange Zeit
In homöopathischen Fachfortbildungen, die ich sehr rege online verfolge, wurde das Thema schon früh aufgegriffen, Erfahrungen ausgetauscht und Behandlungsoptionen diskutiert. Und das Fazit ist: Es gibt keine einfach zu verordnenden Post-Covid-Globuli, sondern wir arbeiten wie immer: individuell, sorgfältig und nach den klaren Regeln der Klassischen Homöopathie.
Dass virale Infektionen auch nach der Akutphase der Erkrankung noch über Monate, ja manchmal sogar Jahre eine Schwächung der Lebenskraft nach sich ziehen können ist bekannt. Das Pfeiffersche Drüsenfieber sei hier stellvertretend erwähnt. In der Homöopathie sprechen wir von den sogenannten Never-well-since-Symptomen, d.h. Menschen drücken es in der Anamnese etwa so aus: „Seit ich damals diese Grippe hatte / dieses Pfeiffersche Drüsenfieber / diese Tropeninfektion, …, fühle ich mich geschwächt und nie wieder so richtig gesund und fit wie vorher“. Wir wissen dann für die Behandlungsplanung, dass wir bei dieser Schwächung ansetzen müssen und ein dafür spezifisches Mittel einsetzen sollten.
Homöopathische Behandlung erfordert gründliche Fallaufnahme
Für die homöopathische Behandlung des Post-Covid-Syndroms heißt das: Wir nehmen in einer gründlichen Anamnese die aktuellen Symptome auf. Wie zeigt sich bei diesem Menschen die Schwächung, gibt es körperliche Beschwerden und auf welche Organbeteiligung weist das hin?
Anschließend gehen wir mit den Fragen zurück: Wie war der Verlauf der Covid-Erkrankung? Und dann betrachten wir die Zeit davor: Wie war die Konstitution vor Eintreten der Infektion? Gab es damals schon chronische Krankheiten oder Schwächungen, belastende Lebensereignisse? Die Analyse all dieser Informationen führt dann zur Behandlungsplanung des aktuellen Post-Covid-Syndroms: Individuell abgestimmt auf diesen Menschen und seine Reaktionslage (das sogenannte Miasma, wie es in der Fachsprache heißt).
Schulmedizinische Diagnostik und ggf. Behandlung
Gute Zusammenarbeit ist wichtig: Ich bestehe bei Post-Covid-Behandlungen darauf, dass eine gründliche schulmedizinische Diagnostik erfolgt: Weisen die Laborwerte auf eine Entzündung hin, auf eine Gerinnungsstörung, auf eine Herzbeteiligung oder auf Belastung der Leber oder Schilddrüse? Wie ist die Lungenfunktion? Ganz wichtig ist auch eine Überprüfung der Herzfunktionen. Dies alles kann über die hausärztliche Praxis veranlasst werden und sollte zeitnah erfolgen – monatelanges Warten auf eine fachärztliche Untersuchung sind nicht zu verantworten.
Inzwischen gibt es erfreulicherweise spezialisierte Post-Covid-Fachpraxen oder -Ambulanzen, z.B. am Uniklinikum Jena, wo inzwischen laut Thüringer Allgemeine vom 17.04.2021 schon 300 Menschen behandelt wurden. Vorteil dieser Ambulanzen ist der interdisziplinäre Ansatz. Die notwendige Diagnostik kann durchgeführt und evtl. notwendige schulmedizinische Behandlungen veranlasst werden.
Oft ist das Ergebnis der ärztlichen Untersuchungen auch, trotz großer Schwäche und Leistungsminderung: Es ist nichts feststellbar, Labor und Spezialuntersuchungen sind alle ohne Befund, es braucht halt Zeit.
Was ist das Ziel einer homöopathischen Behandlung bei Post-Covid?
Diese umfasst immer die individuelle Mittelgabe, die die Selbstheilungskräfte anregt und eine Umstimmung der „verstimmten Lebenskraft“ (so Hahnemann) erreichen möchte. In der Nach-Covid-Zeit kommen die sogenannten Schwächemittel oder Mittel mit Lungenbezug besonders in den Blick. Auch gibt es eine Reihe Akutmittel, die sich bei anhaltender Beeinträchtigung des Geruchs- oder Geschmackssinns bewährt haben.
Vorteil der naturheilkundlich-homöopathischen Praxis ist, dass viel Raum ist für das Gespräch. Vielleicht beschäftigt Sie noch die Zeit der Krankheit, die Sie zuhause oder im Krankenhaus erlebt haben, mit Ängsten und Ungewissheit, vielleicht auch mit Isolation. Familiäre oder berufliche Themen, existentielle Sorgen können bedrücken, und es ist gut, dies alles auszusprechen, gehört zu werden und ggf. gemeinsam Lösungen zu entwickeln.
Nicht zuletzt braucht es auch einen Blick auf die Lebensweise: Wie ist die Ernährung, gibt es das richtige Maß an Bewegung und Entspannung? Sind zusätzliche Stoffe, wie Vitamine, Spurenelemente oder Mineralien angezeigt?
Behandlungsdauer und Fazit
Die Dauer der Behandlung richtet sich nach der Gesamtsituation. In regelmäßigen Folgekonsultationen wird der Verlauf besprochen und die Medikation ggf. angepasst.
Fazit: die Behandlung des Post-Covid-Syndroms braucht meines Erachtens den Gesamtblick auf die bisherige Krankheitsgeschichte und die Situation, in der die Akuterkrankung auftrat. Ziel sollte immer sein, das zugrundeliegende chronische Geschehen und die Reaktionslage zu behandeln und eine Umstimmung zu erreichen.
Links zu Post-Covid-Ambulanzen oder -Kliniken
Genesen bedeutet nicht geheilt: Post-Covid-Ambulanz Uniklinikum Jena
Beispiel für Post-Corona-Rehabilitation Median-Klinik-Heiligendamm
Ganzheitlicher stationärer Behandlungs-Ansatz in Kassel: Spezialkonzept Habichtswald-Klinik
Link zu einer interessanten Berichterstattung zu Long-Covid:
Der lange Weg zurück ins Leben: Bericht des MDR