Diese Frage wird mir nahezu täglich gestellt. Mal offen heraus, ohne Bedenken mir dadurch zu nahe zu treten. Mal eingeleitet mit einem respektvollen „Darf ich Sie mal was fragen?“
Was antworten? Am Liebsten möchte ich erst mal entgegen: „Huch, das ist jetzt aber eine sehr persönliche Frage, eine sehr intime, denn sie betrifft meinen ureigensten Umgang mit Gesundheit und Krankheit.“
Manchmal antworte ich mit einer Gegenfrage: „Was würde eine Antwort für Sie bedeuten? Was wollen Sie EIGENTLICH wissen? Ist die Frage hinter der Frage vielleicht: Ich bin so verunsichert in dieser Diskussion, sagen Sie mir doch bitte: Wie soll ich mich entscheiden“?
Individuelle Beratung – individuelle Entscheidung
Eine sehr geschätzte Kollegin verriet in einem Interview ihre Standardantwort: „Wenn es Sie beruhigt, dann lassen Sie sich impfen. Das wird zu einer Ent-Spannung in der Bevölkerung beitragen, und das kann uns allen nur gut tun“. Und ich möchte ergänzen: Impfen kann ein Beitrag zur kollektiven Ent-Ängstigung sein, und die brauchen wir dringend.
Dies ist also schon mal ein guter Ansatz. Sich zu fragen: Würde eine Impfung meine Angst reduzieren? Würde ich mich sicherer fühlen, wieder freier im Zusammensein mit anderen Menschen?
Ich berate in meiner Praxis immer individuell. Immer wäge ich mit den Ratsuchenden das persönliche Erkrankungsrisiko ab, ermuntere nachzuspüren, ob die Angst vor einer Infektion größer ist oder die vor möglichen Impf-Reaktionen. Und ich rate:
- Informieren Sie sich vielfältig, reflektieren Sie die teils widersprüchlichen Aussagen.
- Sprechen Sie mit anderen Menschen und fragen sich: Was ist meine Haltung in der Debatte?
- Nehmen Sie eine individuelle Risikoabwägung vor (Vorerkrankungen, Alter, bisherige Impferfahrungen). Dabei unterstütze ich Sie gerne.
- Suchen Sie neben dem Gespräch mit mir auch eine ärztliche Beratung, wenn bei Ihnen medizinische Fragen im Raume stehen.
- Machen Sie sich klar, wie Ihr individueller Gesundheitsweg ansonsten ist (eher schulmedizinisch orientiert, eher naturheilkundlich)?
- Treffen Sie für sich eine individuelle Entscheidung.
Erlauben Sie sich abzuwarten, wenn Sie im Moment kein deutliches Ja für eine Impfung haben. Denn eines ist klar: Solange Sie sich für Erst-mal-nicht-Impfen entscheiden, können Sie sich immer noch dafür entscheiden. Zu gegebener Zeit, aus welchen Gründen auch immer. Denn: Geimpft ist geimpft.
Individuum und Gesellschaft
Erstaunlich oft höre ich: „ICH möchte mich EIGENTLICH nicht impfen lassen. Aber: muss ich nicht meinen Beitrag leisten, damit diese schreckliche Pandemie endlich aufhört“?
Kein Wunder, denn es wird uns täglich vermittelt: Wer sich impfen lässt, verhält sich sozial, wer sich dagegen entscheidet, lässt die anderen die Risiken der Impfung auf sich nehmen und schmarotzt in deren Wind-Schatten.
Hier bekommt das Thema eine ethisch-moralische, ja philosophische Dimension. Individuelle Freiheit contra gesellschaftlicher Verpflichtung: Welch tiefes und bedeutungsvolles Thema tut sich hier auf! Ich spreche viel darüber, auch und gerade in meinem privaten Umfeld. Menschen mit Ost- oder West-Sozialisation haben unterschiedliche Impf-Erfahrungen, kennen freie Entscheidungsmöglichkeit oder Impfpflicht (manche nennen es Zwangsimpfungen).
Es hilft, diese prägenden persönlichen Erfahrungen auszusprechen und zu reflektieren, denn ich bin sicher, dass dies die heutige Entscheidungsfindung mit beeinflussen kann. Darf ich mir heute erlauben, die Entscheidung ganz individuell zu treffen?
Zur Zeit basieren die Berechnungen, wann ein persönlicher Impftermin zu erwarten ist, auf einer Impfbereitschaft von ca. 75 %. Etwa in dieser Größenordnung wird auch der Wert angesiedelt, bei dem eine Herdenimmunität zu erwarten sei. Also darf es doch eine Gruppe von Menschen geben, die für sich entscheiden, sich nicht impfen zu lassen, oder?
Warum kann eine Gesellschaft, die ansonsten Diversität und Respekt vor der Entscheidung der Anderen propagiert, nicht aushalten, dass Menschen sich auch in der Impffrage unterschiedlich entscheiden? Der Riss geht inzwischen durch Familien, Partnerschaften, Gruppen. Freundschaften zerbrechen an dieser Frage. Und andererseits: Ich habe großen Respekt davor, wenn ich von Paaren höre, die ihre je unterschiedliche Meinung respektieren und sich damit lassen können.
Impfgruppe und Kontrollgruppe
Dieser Tage erreichte mich eine E-Mail mit einer interessanten Idee für diejenigen, die sich nicht impfen lassen werden. Auf die Impf-Frage könnten Sie doch antworten: „Ich gehöre zur Kontrollgruppe“. Dies beschäftigt mich nun weiterhin. Was erst mal provokant und vielleicht auch ironisch-witzig daherkommt, birgt ja eine ernst zu nehmende Thematik in sich: Ja, es wird irgendwann Untersuchungen geben, die die Geimpften mit der Gruppe der Nicht-Geimpften vergleichen. Welche Fragestellungen da zukünftig untersucht werden, sei erst mal dahingestellt, die Fragen werden sich mit der Zeit ergeben.
Mir gefällt der Gedanke, dass es also auch gesellschaftlich relevant und akzeptiert sein könnte, eine bunte Gruppe freiwillig Nichtgeimpfter, eben eine Kontrollgruppe, zu haben. Bislang habe ich noch nicht viel Erfahrung damit, wie mein Gegenüber reagiert, wenn ich antworten würde, zur Kontrollgruppe zu gehören. Ich bin gespannt auf die Diskussionen, die sich darüber entspinnen.
Sollen Geimpfte Privilegien erhalten?
Aktuell wird dies sehr intensiv diskutiert, und für mich war von Anfang an klar: Selbstverständlich braucht es Erleichterungen und eine Rücknahme der Vorsichtsmaßnahmen, sobald nach einer Impfung eine Immunisierung vorliegt.
Als Beispiel erwähne ich meine 93-jährige Mutter, die in einem Senioren-Wohnheim lebt: Seit einem Jahr fällt das gesamte soziale Leben in dem Heim flach: Keine Gottesdienste, keine täglichen Kaffeekränzchen mit den Ü-90-Frauen, kein gemeinsames Musizieren. Das Mittagessen wird auf einem Alu-Tablett gereicht und alleine im Zimmer eingenommen. Das tägliche soziale Ereignis, das gemeinsame Mittagessen, fällt somit aus. Trostlos ist es, so sagt sie. Geimpft ist sie zweimal, seit vielen Wochen schon, und sie wartet sehnlichst darauf, diese kleinen Freuden des Alltags wieder erleben zu dürfen.
Wenn Sie entschieden sind – was kann ich dann für Sie tun?
Wichtig ist mir, dass Sie Folgendes wissen: Wie auch immer Sie entscheiden, ich respektiere Ihre Entscheidung und begleite Sie.
Ich behandle die Angst vor einer Erkrankung oder die Angst vor einer Impfung. Ich weise auf Immunstärkung und eine gute Konstitutionsbehandlung hin, rate eher nicht zu einer sogenannten homöopathischen Prophylaxe. Das Konstitutionsmittel, gute Ernährung und viel Bewegung (in dieser bewegungsarmen Zeit!), das Sprechen über mögliche belastende Themen in dieser sich hinziehenden Pandemie, das Wahrnehmen von Erschöpfung und Frustration, all dies halte ich für wichtig.
Und ich begleite, wenn nötig, eine Impfung mit den Möglichkeiten, die die Klassische Homöopathie bietet: Bewährte Impf-Folgemittel, individuell aufgrund der auftretenden Symptome ausgewählt.
In Würde das leben, was mich ausmacht
Ach ja, da war ja noch die Eingangs-Frage an mich. Nun, ich informiere mich vielfältig und sehe im Moment noch viele ungeklärte Fragen rund um die verschiedenen Impfstoffe und -methoden. Ich warte erst mal ab. Zähle mich (ein bisschen augenzwinkernd) zur Kontrollgruppe, und sollte ich es eines Tages für richtig erachten, würde ich mich auch impfen lassen, im Vertrauen, dass ich dies dann auch gut vertrage.
Dabei wäre jedoch ganz klar: ich würde vor einer Impfung einen Corona-Test machen (lassen). Einen Antikörpertest habe ich bereits durchgeführt. Nie würde ich mich impfen lassen in eine Infektion hinein oder wenn Antikörper vorliegen. Und einige Wochen nach der Impfung würde ich wieder die Antikörper bestimmen lassen, um mich zu vergewissern, ob ich denn auch wirklich immun bin.
Und sollte ich dabei bleiben, mich nicht impfen zu lassen, dann bin ich auch bereit, den Preis dafür zu bezahlen: Bin mir des Risikos einer Infektion bewusst und der Einschränkungen, was Teilnahme am öffentlichen Leben oder für Reisen angeht. Nehme dann die Unannehmlichkeit weiteren Testens auf mich.
Dr. Maaz, der bekannte Psychotherapeut, hat dieser Tage in einem Interview gesagt: „Es ist wichtig, dass wir in Würde das leben, was uns ausmacht.“ Ich übersetze das für mich: Wichtig ist, dass ich mir treu bleibe.
Diese Haltung gefällt mir gut und sie soll Richtschnur sein für meine Entscheidung.